400 Jahre Colmarer Cembalo
1624 – 2024
Im Jahr 2024 feiert das Ruckers-Cembalo aus den Sammlungen des Musée Unterlinden in Colmar sein 400-jähriges Jubiläum. Um dieses Jubiläum zu feiern, bietet das Museum ein völlig neues Programm mit Veranstaltungen rund um das Instrument an. Diese musikalische Saison soll die Gelegenheit bieten, ein einzigartiges Klangerbe, das nach vier Jahrhunderten unverändert geblieben ist, mit verschiedenen Zielgruppen zu teilen.
23 Oktober 2024 – 14 April 2025
Ausstellung : Die Ruckers-Cembalo von Colmar und Amiens
Biografie des Instruments
Erster Zustand: 1624 – ein Cembalo flämischer Bauart
Das Colmarer Ruckers-Cembalo wurde 1624 in der Werkstatt von Ioannes Ruckers (1578–1642) in Antwerpen gefertigt, wo diese Dynastie etwa zwischen 1580 und 1650 tätig war. Aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften galten deren Instrumente im 17. und 18. Jahrhundert als die besten ihrer Art.
Das Cembalo war ursprünglich mit zwei sogenannten Transpositionsmanualen ausgestattet und entsprach damit der Standardausführung von Ruckers zweimanualigen Cembalos: Die Stimmung des unteren Manuals mit 50 Tasten lag mit der des oberen Manuals mit 45 Tasten um eine Quart auseinander (unter der c-Taste des oberen liegt die f-Taste des unteren).
Die beiden Klaviaturen waren nicht gekoppelt und wurden aufgrund ihrer unterschiedlichen Klangfarbe nicht gleichzeitig gespielt.
Diese Bauart vereinfachte das Transponieren, das während des 16. und 17. Jahrhunderts durch den zunehmenden Gebrauch des Cembalos als Begleitinstrument notwendig wurde.
In seiner ersten Ausführung war das Cembalo mit einem 8-Fuß- und einem 4-Fuß-Register ausgestattet, mit jeweils 2 Springerreihen pro Manual (insgesamt 4 Register) sowie einem Lautenzug. Die Register wurden mithilfe von Zügen ein-/ausgeschaltet, die rechts durch den Kasten des Instruments geführt wurden (das verschlossene Loch für den Zug des Lautenzugs ist noch sichtbar).
Zweiter Zustand: Frankreich, um 1680
Das Cembalo erfuhr nach seiner Ankunft in Frankreich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verschiedene strukturelle und ästhetische Veränderungen.
Um 1680 wurden im Zuge einer sogenannten „kleinen Restaurierung “ – eine Modifikation des Instruments ohne Vergrößerung des Kastens bzw. wesentliche Eingriffe in den Aufbau – die beiden Manuale harmonisiert (jeweils 50 Tasten) und ein zweites 8-Fuß-Register hinzugefügt.
Zu diesem Zeitpunkt erhielt das Cembalo vermutlich auch einen neuen Deckel und neue Beine aus skulptiertem, bemalten und vergoldeten Nussholz, die es noch heute besitzt. Das Innere des Deckels wurde vollständig mit einer mythologischen Landschaft in Öl bemalt, die als Szenerie für den musikalischen Wettstreit zwischen Apollo und Pan bei König Midas dient – eine Episode aus den Metamorphosen des römischen Dichters Ovid.
Es lässt sich heute nicht mit Sicherheit sagen, ob dabei die originalen Manuale beibehalten und angepasst oder ob sie ersetzt wurden.
Dritter Zustand: Frankreich, um 1720
Um 1720 erfolgte eine zweite „kleine Restaurierung“, für das der Pariser Cembalobauer Antoine Vater (1689–nach 1759) verantwortlich zeichnete. Dabei wurde der Umfang der Manuale erweitert, um diese an die zeitgenössischen Kompositionen anzupassen. Die verwendeten Manuale stammen aus dieser Zeit. Auch wenn das Cembalo flämischer Bauart durch die beiden Restaurierungen an den französischen Geschmack angepasst wurde, hat es die für Ruckers- Instrumente typischen Merkmale bewahrt. Sie sind für die außergewöhnlichen Klangeigenschaften verantwortlich, dank derer es sich für ein breites Repertoire – von Musik des 17. Jahrhunderts bis hin zu Johann Sebastian Bach – einsetzen lässt.
Das Ruckers-Cembalo aus dem Jahr 1612
Sammlung der Musées d’Amiens, Dauerleihgabe im Musée de la Musique in Paris
Das Musée Unterlinden dankt den Musées d’Amiens und dem Musée de la musique in Paris für die Leihgabe dieses außergewöhnlichen Instruments.
Wie das Ruckers-Cembalo im Musée Unterlinden wurde auch das Exemplar der Musées d’Amiens in der Werkstatt von Ioannes Ruckers (1578–1642) in Antwerpen gefertigt, das erstere im Jahr 1624, das letztere im Jahr 1612.
Das Cembalo der Musées d’Amiens ist mit der Jahreszahl 1612 und der Signatur des Erbauers über der Klaviatur versehen (IOANNES RUCKERS FECIT ANTVERPI) und war ursprünglich ebenfalls als typisches Cembalo mit Transpositionsmanualen ausgelegt. 1733 wurde in Frankreich eine kleine Restaurierung vorgenommen, bei dem man Manuale, Register und Springer ersetzte. Das Jahr dieses Eingriffs ist auf dem unteren Manual und auf dem ersten Springer vermerkt. Die Klaviatur wurde dabei um drei Noten erweitert – zwei in den Höhen sowie eine gebrochene Taste in den Bässen.
Entgegen der üblichen Vorgehensweise wurde kein zweites 8-Fuß-Register hinzugefügt, auch die Mensur der Saiten entspricht in etwa derjenigen Ruckers. Die Wirbellöcher wurden verschlossen und in Fünferanordnung neu gebohrt, wie im 18. Jahrhundert in Frankreich üblich. Die derzeitige Disposition – 8-Fuß-Register und 4-Fuß- Register über beide Klaviaturen spielbar, ohne Kopplung – entspricht derjenigen der flämischen Cembalos mit harmonisierten Transpositionsmanualen.
Diese erste Modernisierung erscheint recht ungewöhnlich und wurde vielleicht von einem Cembalobauer der Region vorgenommen, der wenig Kenntnis von der in Paris üblichen Praxis der großen Restaurierung besaß. Der konservative Charakter dieses Eingriffs lässt jedoch vermuten, dass – bezieht man die Alterung des Materials und spätere Eingriffe mit ein – die Klangeigenschaften recht nahe an jenen sind, die das Cembalo in seinem Entstehungsjahr 1612 besaß. Der Resonanzboden, die Klaviatur und auch das Deckelinnere weisen noch die originale flämische Dekoration auf. Die Deckelinnenseiten zeigen ein Paar in einem Park (kleiner Deckelteil) sowie ein Motiv aus Ovids Metamorphosen, Athene bei den Musen (großer Deckelteil). In letzterem fliegt Pegasos zum Berg Helikon empor, wo er mit den Hufen jene Quelle freischlägt, deren Wasser Dichtern Inspiration verleiht. Das Cembalo erhielt später ein Arabeskendekor auf grünem Grund sowie ein imposantes Untergestell mit skulptierten und vergoldeten Beinen im Régencestil. 1957 gelangte es als Schenkung der Familie de Berny in die Musées d’Amiens und wurde 1970–1972 von Hubert Bédard restauriert. Danach geriet es in Vergessenheit, bis 1987 die Restaurierung der Malereien durch Madeleine Fabre erfolgte.
1991 beauftragte die Stadt Amiens den Cembalobauer Émile Jobin mit der Restaurierung der instrumentalen Teile. Diese wurde in Zusammenarbeit mit dem Musée de la Musique und dem Service des musées de France durchgeführt. Seither befindet es sich als Dauerleihgabe im Musée de la Musique in Paris und wird nur zu besonderen Anlässen gespielt.