Eröffnung der Ausstellungsräume des 14. und 15. Jahrhunderts

Musée Unterlinden

Place Unterlinden
68000 COLMAR

info@musee-unterlinden.com

+33(0)3 89 20 15 50

Öffnungszeiten

Mittwoch – Montag 9–18 Uhr

Dienstag geschlossen

1.1., 1.5., 1.11., 25.12 : geschlossen

24.12 und 31.12 : 9–16 Uhr

Die seit 2016 und damit auch seit der Einweihung des “Neuen Unterlinden” erwartete Eröffnung der ersten Räume der Dauerausstellung des Musée Unterlinden, die der künstlerischen Produktion des späten 14. und frühen 15. Jahrhunderts gewidmet sind, hat am 2. Juli 2022 sich statt gefunden. Diese Eröffnung ist ein Höhepunkt der Sammlungen des Museums und ermöglicht den Besucher:innen die (Wieder-)Entdeckung zahlreicher Meisterwerke, von denen einige noch nie zuvor gezeigt wurden und andere eigens für diesen Anlass vollständig restauriert wurden. Darunter befindet sich auch der Passionsaltar, der von Caspar Isenmann zwischen 1462 und 1465 für die Stiftskirche Saint-Martin in Colmar gemalt wurde.
Die beiden Säle, die sich im Kreuzgang im Erdgeschoss des ehemaligen Dominikanerinnenklosters befinden, wurden neu arrangiert und entsprechend ihrer zeitlichen Zuordnung angeordnet. Hier werden Werke aus dem Mittelalter ausgestellt, die für das künstlerische Schaffen des 14. und 15. Jahrhunderts repräsentativ sind: Altarbilder, bemalte Tafeln, Skulpturen, Glasfenster und Kunstgegenstände stehen nebeneinander und ermöglichen so die Verknüpfung aller Aspekte der künstlerischen Produktion dieser Zeit und die Identifizierung von Persönlichkeiten sowie von Stilen, die für kreative Zentren wie Straßburg oder Colmar typisch sind.

 

Saal 1: Die Jahre 1380 – 1420

Die “internationale Gotik”

Das Schaffen um 1400 zeichnet sich in allen Bereichen durch eine Harmonie an Formen aus, bei der geschwungene Ausführungen bevorzugt wurden.
Die Feinheit der Bewegungen, die Sanftheit des Ausdrucks und die Liebe zum Detail stehen dabei im Zentrum. Kunsthistoriker bezeichnen diesen Stil als “internationale Gotik” und heben damit die unterschiedliche Herkunft verschiedener Werke mit denselben Merkmalen hervor, was die Zuordnung zu einem bestimmten Produktionszentrum oft schwierig
macht.
Die meisten Gemälde, Skulpturen und Kunstgegenstände im Musée Unterlinden stammen aus Straßburg oder Colmar. Zu den symbolträchtigen Stücken dieser Sammlung gehört die Kreuzigung des Dominikaners, die sich seit Ende des 18. Jahrhunderts in der Stiftskirche Saint-Martin in Colmar befand. Die auf Holz gemalte Kreuzigung gilt als ältestes Zeugnis der Staffeleimalerei in der Oberrheinregion und ist mit ihren schillernden Farben, die den Glanz von Goldschmiedearbeiten nachahmen, dem Goldgrund mit gestanzten Motiven, der an Buchmalerei erinnernden Detailgenauigkeit und der Verlängerung der menschlichen Proportionen typisch für das frühe 15. Jahrhundert und die internationale Gotik. Um den sterbenden Christus herum, dessen Seele in Form einer kleinen Silhouette von Gott empfangen wird, befinden sich die beiden Schächer. Das Leben verlässt ihre Körper, und während die Seele des bösen Schächers vor einem Teufel flieht, wartet die des guten Schächers darauf, von einem Engel weggetragen zu werden. Der goldene Himmelshintergrund ist mit einer Vielzahl von Engeln geschmückt, die das Blut Christi auffangen.
Um sich seines Todes zu vergewissern, hat Longinus gerade seine rechte Seite mit seiner Lanze durchbohrt, und Stephaton nähert seinen Lippen den mit Essig getränkten Schwamm. Die Gruppe der Frauen um die Jungfrau Maria und die Gruppe der Männer rahmen die Kreuzigung ein. Eine kürzlich erfolgte Ausstellung hat dieses Gemälde dem Straßburger Maler Hermann Schadeberg zugeschrieben, der auch Modelle für Kirchenfenster entwarf.

 

Raum 2 – Die Jahre 1420-1470

Die künstlerische Produktion im 15. Jahrhundert

Auf die relative künstlerische Homogenität, die der internationalen Gotik eigen war, folgte eine wesentlich komplexere Periode, in der sich regionale stilistische Strömungen herausbildeten, die oft von einer Persönlichkeit geprägt waren. In den 1450er Jahren traten Künstler mit einem charakteristischen Stil auf, deren Wirken bekannt ist und für die es Quellen gibt.

Der Maler Jost Haller, der bereits 1438 in Straßburg verzeichnet wurde, machte seine Ausbildung in dieser Stadt, arbeitete aber auch in Metz und Saarbrücken. Er ist der Schöpfer des um 1445-1450 gemalten Altarbildes im Tempelhof von Bergheim. Darin sind die dem Drachen geopferte Prinzessin, die vom Heiligen Georg befreit wird und Christus, der von Johannes dem Täufer als das Lamm Gottes vorgestellt wird, das sich für die Menschen opfert, miteinander verbunden.
Der anonyme Schöpfer des Stauffenberg-Altars (1454-1460) stammt ebenfalls aus Straßburg. Er folgte dem Auftrag von Hans Erhard Bock von Stauffenberg, dem Vogt von Rouffach, der sich selbst und sein Wappen am Fuß des Kreuzes darstellen und malen ließ. Die plastische Darstellung der Figuren und der Einsatz von Licht zur Modellierung der Körper und zur Verlebendigung der Drapierungen beweisen in diesen beiden Werken den Einfluss der Kunst der südlichen Niederlande.
Dieser Einfluss ist auch in einem der Hauptwerke des Saales spürbar, das ebenfalls einer umfangreichen Restaurierung unterzogen wurde: die bemalten Tafeln des Passionsaltars, den die Stiftsherren der Stiftskirche SaintMartin in Colmar 1462 bei dem Colmarer Maler Caspar Isenmann in Auftrag gaben.
Das riesige Altarbild wurde 1465 fertiggestellt, wie das Datum auf der Rückseite des Werkes beweist. Es zeigt, wie Isenmann von verschiedenen Einflüssen geprägt wurde, um seinen eigenen Stil zu formen, bei dem die Kunst der Inszenierung und der Erzählung nicht das Interesse an der Personalisierung der hier skizzierten und karikierten Figuren verdeckt.
Das heute nur noch bruchstückhaft vorhandene Altarbild von Caspar Isenmann wird in der neuen Museumsausstellung durch ein Modell nachgestellt und durch eine Fotografie des Originalvertrags zwischen den Auftraggebern und dem Maler besser verständlich gemacht. So können die Besucher das Schriftstück aus dem Jahr 1462 auch tatsächlich selbst entziffern.

 

Zurück zur Nachrichten